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Interview mit Roland Scheurer

Weltmeister über die doppelte Ironman-Distanz, Vizeweltmeister im Quadrathlon, Ökonom und Diplomgeograf, Vater von drei Kindern – und Marathonläufer mit Gänsehautgarantie: Roland Scheurer aus Goldswil kennt die Grenzen des Körpers. Und weiss, dass die grössten Hürden oft im Kopf liegen. Er spricht über Kampf, Krampf und die Kraft, die darin liegt.

Anzeiger Interlaken: Höchstleistungen haben Sie in der Vergangenheit etliche erbracht, was steht nun an? Roland Scheurer: Ich mache mich auf den Weg mitten durch Australien – von der Ost- zur Westküste, allein mit dem Gravelbike. Fünf Wochen mutterseelenallein in der Weite.

Ihre Motivation? Reduziert unterwegs: So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig, das ist das Interessante. Es kann sein, dass ich bis zu 15 Liter Wasser mit mir führen muss, weil es hunderte Kilometer zur nächsten Wasserstelle sind. Die Strecke habe ich geplant und soweit möglich abgeklärt, aber ich muss flexibel bleiben und je nach Bedingungen reagieren können. Ein Beispiel ist der Zustand der Sandpisten; wenn möglich fahre ich natürlich, aber sicherlich muss ich auch mal schieben, wenn der Sand zu tief ist.

Was fühlen Sie dabei?
Den Raum. Die Weite. Du merkst: Als einzelner Mensch ist man ziemlich unbedeutend. Naturgewalten kannst du nicht kontrollieren – du kannst nur reagieren. Ich sehe mich da als Teil eines grösseren Ganzen, das ist sicher der Geograf in mir. Mich fasziniert, wie die Elemente in einem Naturraum zusammenspielen, wie sich Klima, Mensch und Landschaft bedingen. Wenn wir das Alter der Erde (ungefähr 4,5 Mia. Jahre) in ein Jahr umrechnen, dann sind Menschen erst in den letzten Minuten dieses Jahres aufgetaucht, etwa vor 300’000 Jahren. Diese Relativierung finde ich ungemein bereichernd.

Keine Angst vor der Einsamkeit, der Hitze oder den wilden Tieren? Doch, Respekt habe ich auf jeden Fall. Aber genau darin liegt ja auch der Reiz: sich auf sich selbst verlassen, sich der Umgebung anpassen. Natürlich gibt es Gefahren – von giftigen Tieren bis zu Wassermangel. Aber mit guter Vorbereitung und Achtsamkeit ist vieles kalkulierbar. Es geht mir nicht um waghalsige Aktionen, sondern um das bewusste Erleben.

Sie arbeiten als Delegierter der Schweizerischen Nationalbank – da geht es doch sehr rational zu … Das stimmt schon, aber auch Zahlen erzählen Geschichten. Statistiken wirken oft abstrakt, aber sie sind nur eine andere Sprache. Wenn man sie übersetzt, Entwicklungen sichtbar macht, dann wird es spannend – wie ein gutes Buch.

Sportler, Vater, Ökonom. Wie bringen Sie all das unter einen Hut? Für mich sind das keine Gegensätze. Sport ist beispielsweise auch Ausgleich, er macht den Kopf frei, bringt frische Ideen, und man kann Sport mit anderen machen. Ich versuche, bewusst zu leben. Was ich mache, probiere ich fokussiert zu machen, was mir aber auch nicht immer gelingt. Das gilt für die Zeit mit Familie und Freunden genauso wie für das Training. Zeit ist für alle eine begrenzte Ressource. Wenn du den Moment bewusst lebst und präsent bist, nützt du sie am besten.

Ist sportliche Leistungsfähigkeit eine Frage der Gene oder des Willens? Beides. Ich denke, rund 50 Prozent sind genetisch bedingt. Aber die andere Hälfte? Die können wir selbst beeinflussen, etwa durch Training, Ernährung und Psyche. Es ist insbesondere auch eine Frage der Einstellung, ob man in schwierigen Momenten das Glas halb leer oder halb voll sieht.

Wie gehen Sie persönlich mit dem Älterwerden um, körperlich wie mental? Ich verdränge es erfolgreich! (lacht) Nein, im Ernst: Ich setze mich damit auseinander. Kraft, Koordination, aber auch Regeneration werden beispielsweise wichtiger, ich versuche dies im Alltag zu berücksichtigen. Ich muss aber nicht 120 Jahre alt werden. Möglichst gesund älter werden, das ist mein Ziel. Bewegung ist ein Schlüssel dazu, genauso wie soziale Beziehungen, eine gesunde Ernährung, einen Sinn im Leben sehen und andere Faktoren. Und älter werden hat ja auch seine schönen Seiten: Ich geniesse es zum Beispiel sehr, zu sehen, wie meine drei erwachsenen Kinder ihre eigenen Wege gehen.

Ihr Schlussfazit? Man muss nicht unbedingt einen Marathon laufen – es reicht, wenn man geistig und körperlich immer ein bisschen in Bewegung bleibt.

Zur Person: Roland Scheurer lebt in Goldswil bei Interlaken. Der Ultra-Triathlet war zweimal Weltmeister über die doppelte Ironman-Distanz und mehr-facher Vizeweltmeister, unter anderem im Quadrathlon (Schwimmen, Radfahren, Kajak, Laufen). Neben internationalen Extremrennenwar er auch Teilnehmer am ersten Jungfrau-Marathon – seinem «Hauslauf mit Aussicht». Der Geograf und Ökonom beruflich seit 2016 Delegierter der Schweizerischen Nationalbank für die Region Mittelland. Zuvor war er als selbständiger Unternehmensberater, Fachhochschuldozent und Gymilehrer / Prorektor in Interlaken tätig. Roland Scheurer hat an der Universität Bern in Wirtschaftsgeografie, Volkswirtschaft sowie Psychologie und Pädagogik promoviert und besitzt zusätzlich einen Masterabschluss in Wirtschaftswissenschaften der Universität Hagen.

26. Juni 2025

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