Bild: Fritz Lehmann

Interview mit Lorenzo Mostosi

Nach der ersten Saison mit dem neuen City Train zieht Fahrer Lorenzo Mostosi Bilanz. Er spricht über Touristen aus aller Welt, Elektrifizierung, den besonderen 1. August – und weshalb der Beruf des Fahrers für ihn ein erfüllter Kindheitstraum ist.

Anzeiger Interlaken: Seit März lenken Sie den neuen City Train durch Interlaken, Matten und Unterseen. Wie haben Sie den ersten Sommer erlebt? Lorenzo Mostosi: Es war ein sehr spannender und schöner Sommer. Wir wussten bei der Eröffnung nicht genau, wie der Zug bei den Leuten ankommt – aber schon in den ersten Wochen war klar: Die Kombination aus elektrischer Fahrt, Sehenswürdigkeiten und Geschichten begeistert die Gäste. Und der neue Zug mit 40 Sitzplätzen ist auch rollstuhlgängig, zwei Sitze können bei Bedarf für Menschen mit Beeinträchtigung weg­geklappt werden. Insgesamt sind wir fünf Fahrer, die abwechselnd mit dem City Train unterwegs sind – das sorgt für Flexibilität und Abwechslung.

Stichwort Elektrifizierung. Spüren Sie selbst einen Unterschied zum alten Zug, den Sie selbst bis 2021 betrieben haben? Ja, absolut. Die Ruhe ist das Auffälligste – kein Motorenbrummen, nur ein leises Surren. Das macht die Arbeit angenehmer und die Fahrt entspannter. Auch die Vibrationen sind geringer. Man merkt richtig, dass man ein modernes, nachhaltiges Fahrzeug fährt. Ich habe es bisher nie geschafft, den Akku leerzufahren. Es blieben abends immer noch mindestens 20 Prozent, das hat mich schon erstaunt. Der Zug der Bödelibahn GmbH, betrieben von ­A­lexandra Krebs und Lorenz Krebs jun., wird in der Tiefgarage des JungfrauParks parkiert. Dort befindet sich auch eine eigene Ladestation, ­sodass der Betrieb reibungslos funktioniert.

Gab es Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind? Am 1. August sind Bewohnerinnen und Bewohner vom Artos und der Rosenau mit mir im Bähnli durch den Umzug mitgefahren. Wir haben ihnen Schweizerfähnchen verteilt, die natürlich geschwungen wurden. Und wir erhielten auf der ganzen Strecke praktisch durchgehend Applaus – von Touristen ebenso wie von Einheimischen.

Apropos Einheimische: Steigen sie ebenfalls mit ein oder bleiben sie eher Zuschauer? Viele waren anfangs skeptisch, ob es sich um ein «reines Touristenangebot» handelt. Aber inzwischen sehe ich oft Leute aus der Region, die mitfahren, um ihre Heimat aus einem neuen Blickwinkel zu entdecken. Manche kombinieren die Fahrt mit einem Spaziergang entlang der Aare oder mit ­einer Schiffsfahrt und anderen Aktivitäten.

Welche Strecke legt der City Train zurück? Der Ein- und Aussteigeort beim Mersmann-Brunnen an der Höhematte ist gut gelegen zwischen den beiden Bahnhöfen und den Schiffsstationen. Neu ist es eine Rundfahrt, das heisst, wir halten nicht mehr an und fahren stündlich elf Stationen in Interlaken, Matten und Unterseen an, die erste ist der Japanische Garten, die letzte Station an der Aare mit Blick aufs Har­dermannli. Bei jeder Station gibt es spannende ­Infos zu den Sehenswürdigkeiten und der Region. Bei Schlechtwetter ist der Zug manchmal noch mehr gefragt als bei schönem Wetter.

Stichwort Audio-Guide: Er ist mehrsprachig? Ja, die Informationen gibt es in Deutsch, ­Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, ­Chinesisch, Hindi und Arabisch. Viele Gäste sind sehr dankbar, dass sie hier keine Sprachbarriere befürchten müssen.

Und dennoch sind Sie als Fahrer auch Auskunftsperson? Ja, das stimmt. Ich gebe sehr viel Auskunft, zum Beispiel wenn Gäste die Statue des indischen Regisseurs Chopra suchen, die im Kursaalgarten steht. Aber auch nach Tipps zu Ausflügen werde ich oft gefragt. Das macht meine Arbeit spannend, hier ist die ganze Welt zu Hause, und ich schätze den ­persönlichen Austausch.

Was bedeutet es für Sie, den City Train zu führen? Ein Kindheitstraum ist in Erfüllung gegangen, naja fast, ich wollte als Kind immer Lokführer werden. Ich schätze die Abwechslung und dass ich meine fünf Sprachen anwenden kann. Das «Zügli» fährt noch bis am 2. November. Kürzlich bin ich 76 ­geworden – der City Train hält mich jung! »

www.citytraininterlaken.ch

Zur Person: Lorenzo Mostosi ist ein echtes Bödeli-Original – und weit gereist zugleich. Nach einer kaufmännischen Lehre bei Wagons-Lits/Cook war er Sportsekretär in Grindelwald und später Reiseleiter bei Kuoni. Stationierungen führten ihn nach Istanbul, Skandinavien, London, Sri Lanka, Kenia, in die USA und nach Südamerika – insgesamt bis nach Galapagos, wo er nach dem 20. Aufenthalt zum Ehrenbürger wurde. 1981 übernahm er die Geschäftsführung von Kuoni Interlaken, 1993 wurde er Casinodirektor. Berühmt wurde er auch auf der Bühne: Von 1994 bis 2007 spielte er den Wilhelm Tell bei den Tellspielen Interlaken, später Walter Fürst und den «Alten Tell» als Erzähler. Mit seinem Bruder gründete er die Mostosi Brothers, die als Duo und als Alleinunterhalter auftreten. Von 2006 bis 2021 betrieb er zudem die nostalgische Bödelibahn durch Interlaken, Matten und Unterseen – die Vorgängerin des heutigen City Train. Seine Hobbys sind neben der Musik seine Modelleisenbahnanlage, hin und wieder wird er als Schauspieler für Film- und Werbeengagements gebucht, etwa von Ricola, Axa, Emmi und anderen mehr.
11. September 2025

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