Landschaften aus dem 19. Jahrhundert in Peterburger Hängung. (Bild: Fritz Lehmann)
Doppelt – Zwei kontrastreiche Ausstellungen im Kunsthaus Interlaken ergänzen einander durch die schiere Gegensätzlichkeit. Romantik und Realismus berühren sanft zeitgenössische Glasarbeiten.
Das Kunsthaus Interlaken und das Architektur-Atelier Pulfer + Aeberhard laden noch bis zum 16. November zu einem faszinierenden Dialog zwischen Geschichte und Gegenwart, zwischen klassischer Malerei und zeitgenössischer Materialkunst ein. Mit der Präsentation der Hauptausstellung «Ein Blick in die Sammlung» und der Schau «Glass is a Mixture» im Wanderpavillon Roam zwischen Kunsthaus und Höhematte wird den Besuchern ein kulturelles Doppelprogramm geboten, das regionale Kunstgeschichte mit zukunftsweisenden Themen verbindet. Die Ausstellung «Ein Blick in die Sammlung» bietet erstmals einen umfassenden Überblick über den gewachsenen Kunstbestand des Kunsthauses: «Seit der Integration der Kunstgesellschaft Interlaken im Jahr 2017 konnte die Kollektion durch grosszügige Schenkungen und gezielte Ankäufe – insbesondere von rund 80 Oberländer Landschaften aus dem 19. Jahrhundert – beachtlich erweitert werden», sagt dazu Kurator Heinz Häsler. Damit konzentriert sich das Haus nun bewusst auf den Aufbau einer regionalen Sammlung, die Werke von Kunstschaffenden mit Bezug zum Berner Oberland versammelt, darunter Arbeiten des 19. Jahrhunderts von Alexandre Calame, François Diday und anderen, Arbeiten von regionalen Grössen wie Martin Peter Flück und Bendicht Friedli oder die Porträtinstallation «Einatmen-Ausatmen» von Vollrad Kutscher, einem Künstler aus Frankfurt. Die Vernissage am 27. September wurde vom Pianisten Stewy von Wattenwyl musikalisch begleitet und stiess auf reges Interesse von gut 100 Kunstschaffenden und Kunstfreunden, die sich den persönlichen Austausch etwa mit dem anwesenden Vollrad Kutscher nicht nehmen lassen wollten. In seiner Einführung zur Vernissage äusserte sich Heinz Häsler zur Petersburger Hängung und deren Wirkung: «Die Salonhängung zielte früher darauf ab, den Betrachter durch die grosse Menge der ausgestellten Kunstwerke zu beeindrucken.»
Das Gestell im Raum
Um auch die am höchsten hängenden, oft kleineren Werke optimal betrachten zu können, wurde damals ein architektonischer Kniff angewendet. Häsler erklärte schmunzelnd, dass man bewusst mit Leitern und Podesten gearbeitet habe. Und auch dem steht das Kunsthaus in nichts nach; im oberen Stock kann man ein Gerüst betreten, um leicht erhöht etwa das Werk von Alexandre Calame «A la cascade de Handeck» aus dem Jahr 1848 zu betrachten. «Nicht dass man denkt, wir hätten nicht richtig aufgeräumt», erklärt Häsler. Das verbliebene Gestell ist also kein Hindernis, sondern eine wohlüberlegte Inszenierung, die den Besucher aktiv in die Betrachtung einbezieht.
Transparenz und Kreislaufwirtschaft
Parallel zur historischen Sammlung im Inneren findet im Wanderpavillon Roam vor dem Kunsthaus die Ausstellung «Glass is a Mixture» statt. Diese Schau richtet den Blick auf die Zukunft und die Materialität der Gegenwart, indem sie sich mit zeitgenössischer Schweizer Glasarbeit und den Themen Kreislaufwirtschaft und Architektur befasst. Das Konzept stammt vom Architektur-Atelier Pulfer + Aeberhard aus Leissigen. In der Ausstellung werden Arbeiten von elf zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern gezeigt, darunter Werke von Renée Levi, Andrea Heller und Laura Sattin. Die Verbindung von traditionellem Material mit modernen, nachhaltigen und architektonischen Fragestellungen macht die Ausstellung besonders spannend. Beide Ausstellungen sind noch bis zum 16. November zu sehen. Das Kunsthaus Interlaken ist jeweils von Mittwoch bis Samstag von 14.00 bis 17.00 Uhr und am Sonntag von 11.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Montags und dienstags bleiben die Türen geschlossen.
www.kunsthausinterlaken.ch09. Oktober 2025