Urs Kessler (63) wurde im August zum Präsidenten der Swiss Ice Hockey Federation gewählt. Nach drei Monaten im Amt zog der ehemalige Chef der Jungfraubahnen kürzlich vor den Schweizer Medien Bilanz und nannte seine Ziele. Auch wir haben ihm ein paar Fragen gestellt.
Anzeiger Interlaken: Vom Touristiker zum Eishockeyfunktionär – als Präsident des Schweizer Eishockeyverbands sind Sie kürzlich zu neuen Ufern aufgebrochen. Urs Kessler, wer sind Sie? Urs Kessler: Ich mag Herausforderungen. Fürs Eishockey hatte ich immer schon eine grosse Leidenschaft. Als ich die Anfrage erhielt, sagte ich spontan zu.
Wie kam es dazu? Sie haben also nicht aktiv nach dieser Aufgabe gesucht? An Silvester 2024 war ich mit EHC-Biel-Sportchef Martin Steinegger Ski fahren. Er meinte, dieses Amt wäre etwas für mich. Zunächst konnte ich mir das kaum vorstellen, doch nach einigen Telefonaten nahm die Sache Fahrt auf. Ich stellte mich bei den 14 CEOs der National League persönlich vor. So nahm alles seinen Anfang.
Sie haben also eine Sportaffinität? In der Schulzeit spielte ich zuerst Eishockey, danach Fussball. Die Dynamik, Härte und Schnelligkeit des Eishockeys haben mich immer fasziniert. Matches habe ich immer wieder besucht. Die Jungfraubahnen waren Sponsor der «Top of Europe Trophy» in Matten, eines jährlich stattfindenden Freundschaftsspiels zwischen dem SC Unterseen-Interlaken und einem Verein der National League. Den Kontakt zu diesen Topmannschaften habe ich immer hergestellt.
Wo sehen Sie die grössten Herausforderungen im Schweizer Hockey? Einer meiner Leitsprüche lautet: Die grösste Gefahr für morgen ist der Erfolg von heute. Genf und der ZSC haben die Champions Hockey League gewonnen, das Nationalteam drei WM-Silbermedaillen. Man hat das Gefühl, alles sei in bester Ordnung. Aber wir müssen wachsam bleiben und dürfen den Anschluss nicht verlieren. Da spreche ich vor allem die Entwicklung der Nachwuchsarbeit an.
Es gibt Schweizer Nachwuchsspieler, die bewusst eine Förderung im Ausland wählen, weil sie von der Nachwuchsarbeit in der Schweiz zu wenig überzeugt sind. Was sagen Sie dazu? Hier kann ich einen Link zu den Jungfraubahnen machen: Kinder fuhren gratis oder bekamen stark vergünstigte Abos. So brachten wir die Kinder zum Skifahren. Auf ähnliche Weise müssen wir die Kinder zum Eishockeysport bringen. Unser Ziel lautet, die Nachwuchsförderung zu stärken, Einstiegsbarrieren zu senken und neue Sponsoren zu gewinnen.
Was wollen Sie weiter im Amt bewirken? Ich möchte Ruhe und Stabilität in den Verband bringen. Der schwarze Puck muss im Vordergrund stehen, nicht die Eigeninteressen. Dann sind die Finanzen ein grosses Thema. Die Sky Swiss League, die zweithöchste Schweizer Liga, müssen wir neu positionieren und kommerzialisieren. Persönlich denke ich, dass wir mit der National League, der Sky Swiss League und der MyHockey League oberhalb der Amateurligen eine Liga zu viel haben.
Wie wollen Sie das angehen? Indem wir hinter der National League eine starke zweite Topliga positionieren. Die Liga muss attraktiv sein, mit möglichst kurzen Reisezeiten und mehr Derbys. Eine Unterteilung in eine Ost- und Westgruppe wäre beispielsweise eine Option, die diskutiert werden sollte.
Wo gibt es sonst noch Herausforderungen? Die Finanzen habe ich schon angesprochen. Jedes Unternehmen kann nur so viel ausgeben wie es einnimmt. Dann möchte ich die Marke Schweizer Eishockey besser vermarkten. Eishockey hat aus meiner Sicht viel Ähnlichkeit mit Schwingen, auch hier geht es um Tradition und eine starke Positionierung in ländlichen Gebieten.
Welche Sicht haben Sie als Berner Oberländer auf die einheimische Hockeyszene? Ich beobachte das Geschehen in der Region. In Grindelwald haben wir ein Sportzentrum, aber dass man dort von synthetischem Eis spricht, finde ich sehr schade – an einem Ort, in dem Eishockey eine derart starke Tradition hat. Jede Eishalle ist ein Rekrutierungszentrum für den Nachwuchs. Die bestehenden Eishallen müssen erhalten bleiben. Meine Wunschvorstellung lautet, dass es die Beo Yetis in der 1. Liga an die Spitze schaffen. Und das Berner Oberland müsste das Ziel haben, einen Verein in einer Topliga zu stellen. Wirtschaftlich ähnliche Regionen wie Graubünden schaffen das auch.
www.sihf.ch11. Dezember 2025