Bild: zvg

Interview mit Michael van Orsouw

Der Historiker und Autor Michael van Orsouw beschäftigt sich intensiv mit historischen Persönlichkeiten und ihren Be­ziehungen zur Schweiz. In seinem Buch «Sisis Zuflucht, Kaiserin Elisabeth und die Schweiz» beleuchtet er das Leben der Kaiserin Elisabeth von Österreich – besser bekannt als Sisi – und ihre Aufenthalte zwischen Zürich, Genf und dem Berner Oberland. Am 28. März spricht er im Schlosskeller Interlaken über Sisi in der Schweiz – eine Geschichte voller Sehnsucht, Flucht und einer gewissen Distanz zur Eidgenossenschaft.

Sisi gehört zu den meistbesprochenen historischen Figuren. Warum zieht sie die Menschen bis heute so in ihrem Bann? Michael van Orsouw: Sisi ist eine dieser Figuren, die sich dem klassischen Bild einer Monarchin entziehen. Sie war exzentrisch, unangepasst und oft weit weg vom Hof – sie reiste mehr, als sie regierte. Ihr Mythos lebt weiter, weil sie nicht nur die tragische Kaiserin war, sondern auch eine, die gegen das starre System rebellierte. Das spricht bis heute viele an.

Sie sind auf den Spuren von Sisi in der Schweiz gewandelt. Welche Rolle spielte das Berner Oberland für sie? Eine gar nicht so kleine! Sisi kam 1892 nach Matten und wohnte dort im Hotel Jungfraublick. Sie liebte die Berge, unternahm Wanderungen und genoss die Abgeschiedenheit – und die Berner Molke. Das Berner Oberland bot ihr genau das: Ruhe, Natur und eine gewisse Anonymität. Doch wie so oft bei ihr – wirklich glücklich war sie wohl auch hier nicht.

Was für eine Beziehung hatte sie zur Schweiz? Eine ambivalente. Sie kam oft, nämlich neunmal und jeweils für mehrere Wochen. Die Schweiz war für sie ein Rückzugsort, eine Kulisse für ihre rastlose Seele. In Zürich konnte sie wenig mit der Stadt anfangen, in Genf wurde sie schliesslich ermordet.

Trotzdem gibt es viele Orte, die mit ihr in Verbindung gebracht werden. Welche Spuren hat sie hinterlassen? Sehr viele, wenn man genau hinsieht. Natürlich das Sisi-Denkmal in Genf – das ist die bekannteste Spur. Aber es gibt auch Hotels und Orte, die mit ihr werben. Gerade in der Belle Époque reisten viele Adelige in die Schweiz, und Sisi war eine von ihnen. In Briefen und —Zeitungsartikeln taucht sie immer wieder auf – mal schwärmend, mal frustriert über das schlechte Wetter.

Was erwartet die Besucherinnen und Besucher Ihres Vortrags in Interlaken? Eine Zeitreise! Ich nehme das Publikum mit in die Schweiz des 19. Jahrhunderts und erzähle, wie Sisi das Land erlebte, wen sie traf und wo sie sich aufhielt. Es wird eine Geschichte zwischen Naturidyll, höfischer Flucht und einer Kaiserin, die sich oft fremd fühlte – auch in der Schweiz.

Sie sind promovierter Historiker, preisgekrönter Schriftsteller und ein sehr erfahrener Bühnenpoet. Sie nennen sich selbst literarischer Allgemeinpraktiker. Wie ist dieser Begriff entstanden? Ja, das ist ein Titel, den ich mir selbst gegeben habe – weil ich mich nicht auf eine einzige Disziplin festlegen will. Ich bin Historiker, schreibe Bücher, halte Vorträge und stehe auf Bühnen. Mal recherchiere ich tief in Archiven, mal erzähle ich Geschichte mit einem Augenzwinkern in einer Spoken-Word-Performance. Ein literarischer Allgemeinpraktiker eben – mit einem breiten Spektrum, aber hoffentlich ohne gefährliches Halbwissen.

Lässt sich Ihre Faszination für Sisi in wenigen Worten zusammenfassen? Sisi ist eine historische Figur voller Widersprüche: weltberühmt, aber scheu, privilegiert, aber rastlos. Sie entzog sich den Erwartungen, suchte Freiheit und kämpfte doch mit ihren eigenen Zwängen. Sie war eine Influencerin ihrer Zeit und widersetzte sich den Pflichten. Sie fasziniert in ihrer Ambivalenz bis heute.

Sisi-Vorleseshow, Michael van Orsouw über die Kaiserin von Österreich, Schloss­keller Interlaken, Freitag, 28. März, 20.15 Uhr.

Buch: Michael van Orsouw: Sisis ­Zuflucht, Kaiserin Elisabeth und die Schweiz. Hier und Jetzt Verlag, Baden 2023. ISBN 978-3-03919-592-3.

www.michaelvanorsouw.ch
27. März 2025

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