Er kennt die Thermik im Berner Oberland wie seine Westentasche, hat jüngst das «Bornes to fly» mit einem dritten Platz beendet. Der Meiringer Lars Meerstetter startet dieses Jahr erstmals am Gleitschirmrennen Red Bull X-Alps, das vom 15. bis 27. Juni stattfindet. Ein Gespräch über Vorbereitung, Taktik und das Rennen seines Lebens.
Anzeiger Interlaken: Sie haben an der «Bornes to Fly»-Veranstaltung im französischen Annecy teilgenommen – wie wichtig war das als Vorbereitung? Lars Meerstetter: Sehr wichtig! Das war für mich wie eine Hauptprobe. Ich bin dort Dritter geworden, das Feld war stark – viele fliegen dort, die auch bei den X-Alps dabei sind. Ich konnte testen, wie das Zusammenspiel im Team funktioniert, wo wir noch optimieren können. Auch meine Fitness und mein Fluggefühl waren auf dem Prüfstand, das hat alles gepasst.
Wie wichtig ist das Team im Rennen? Enorm wichtig! Inzwischen ist das alles viel professioneller geworden. Man ist nicht mehr allein unterwegs. Wir sind ein Vierer- bis Fünferteam mit zwei Autos. Da geht es um Verpflegung, Routenwahl, Taktik, Kommunikation. Wenn das Zusammenspiel nicht funktioniert, hat man keine Chance.
Und wie gross ist der finanzielle Aufwand? Der ist schon beträchtlich. Klar, man könnte das Ganze auch in kleinerem Rahmen durchziehen Aber wenn man keine Zeit verlieren will und wirklich vorne mitspielen möchte, braucht es eben diesen grossen Aufwand. Seit einem halben Jahr habe ich wegen dem Rennen mein Arbeitspensum auf 50 Prozent reduziert. So arbeite ich jeweils Teilzeit als Naturgefahrenexperte in einem Planungsbüro und als Fluglehrer und Tandempilot.
Das X-Alps gilt als das härteste Hike-&-Fly-Abenteuerrennen der Welt. Sind Sie unter Druck? Die Erwartungen von aussen sind nicht riesig, und ich setze mich selbst auch nicht unter Druck. Für mich ist das Rennen ein grosses Ziel, aber ich will nicht einfach nur mitfliegen und Statist sein. Wenn ich gut vorbereitet bin, läuft es. Klar, ich habe Respekt davor, einen richtig dummen Fehler zu machen, ein kapitaler Fehler würde extrem wehtun.
Wie bereiten Sie sich nun vor? Das Wichtigste war, keinen guten Flugtag zu verpassen – gerade in den letzten Monaten mit der Thermik. An zweiter Stelle stand das Lauftraining, das hat mich mehr Überwindung gekostet: Fast täglich jeweils 30 Kilometer oder 3000 Höhenmeter – ein richtiges Ausdauerprogramm, das ich ziemlich professionell mit einer Trainerin durchgeführt habe. Und daneben gabs noch einiges an Bürokratie: Sponsoren, medizinische Tests, Beschriftungssachen, die abgesegnet werden mussten, dazu Interviewanfragen. Vieles davon war neu für mich.
Wie viel Gleitschirmwettkampf steckt noch im Abenteuer X-Alps, und wie viel Extrem-Berglauf? Am Ende ist es ganz klar ein Gleitschirmrennen, das Flugwetter muss wann immer möglich genutzt werden. Aber eines, bei dem man ein sehr hohes Fitnesslevel braucht, sonst kann man gleich zu Hause bleiben. Entscheidend ist fast immer das, was in der Luft passiert, nicht am Boden.
Die Route 2025 ist veröffentlicht, mit 1283 Kilometer die längste Strecke überhaupt. Gibt es einen Abschnitt, auf den Sie sich besonders freuen? Vielleicht führt die Route sogar direkt an meinem Zuhause vorbei? Und ab Niesen geht es Richtung Les deux Alps und zurück nach Locarno. Auf das Rennen ab Disentis bin ich gespannt, da wird es richtig spannend. Da entscheidet oft die richtige Nase: Wer hat das Wetter richtig gelesen, wer fliegt die schnellste Linie, wer steigt am effizientesten auf? Der Rest der Route ist eher fest geführt mit vielen Turnpoints.
Was ist Ihr persönliches Ziel bei der ersten Teilnahme? Mein Hauptziel ist, gesund durchzukommen und eine gute Zeit mit dem Team zu haben. Ich möchte so fliegen, dass ich selbst zufrieden bin: keine dummen Fehler machen, das Beste aus den Bedingungen herausholen. Wenn alles aufgeht, ist ein Platz unter den ersten zehn realistisch. Die Top 10 sind ganz klar mein Ziel. Mein Team ist super. Ich freue mich auf zwölf intensive Tage mit den besten Kollegen. Mein Vater ist als Koch und Supporter mit dabei. Das Ziel ist klar: gesund zurückkommen. Das X-Alps ist sehr präsent – egal, wo ich bin, ich werde darauf angesprochen.
www.larsmeerstetter.ch
Zur Person: Lars Meerstetter (29) ist in Meiringen im Haslital aufgewachsen und lebt heute am Hasliberg – mit Start- und Landeplatz direkt vor der Haustür. Die Liebe zu den Bergen wurde ihm von den Eltern in die Wiege gelegt. Seit 2014 ist er begeisterter Gleitschirmpilot, mittlerweile auch Fluglehrer und Tandempilot. Seine ersten Flüge absolvierte er eigentlich nur mit dem Ziel, nach Bergtouren bequemer absteigen zu können. Heute fasziniert ihn besonders das Streckenfliegen, eine anspruchsvolle Kombination aus Meteorologie, Taktik und Intuition. Seine Flüge führen ihn inzwischen über hunderte Kilometer weit. Seine Erfolge im letzten Jahr waren der 2. Rang beim Dolomiti Super Fly, 1. Rang bei der Hike-&-Fly-Schweizer Meisterschaft, 1. Rang Eigertour, 8. Rang X-Pyr und 5. Rang beim WorldXContest.
30. Mai 2025