In der aktuellen Ausstellung «Elemente» in der Burgergalerie Brienz scheint es, als ob Feuer, Wasser, Erde und Luft aus den Kunstwerken heraustreten und den Raum durchfluten. Die Oberländer Künstler Annamarie Wyss aus Ringgenberg und Martin Bill von Gwatt haben es geschafft, die Naturkräfte in einer Symbiose zu vereinen, die noch lange nach einem Besuch nachhallt. Sie sprechen über Elemente als zentrale Inspirationsquellen, ihre künstlerische Zusammenarbeit und den Entstehungsprozess ihrer einzigartigen Werke.
Anzeiger Interlaken: Wenn man durch die Ausstellung «Elemente» geht, spürt man förmlich die Kraft der Natur, die in Ihren Werken zum Ausdruck kommt. Was fasziniert Sie beide so sehr an den vier Elementen, dass sie zum zentralen Thema Ihrer Kunst geworden sind? Annamarie Wyss: Das Thema begleitet mich schon seit Jahren, aber so richtig intensiv ist es für mich nach meiner Islandreise 2021 geworden. Dort habe ich die Kraft der Elemente auf eine Art und Weise gespürt, wie ich es zuvor nie erlebt hatte. Die Landschaft war überwältigend – die Natur hat mich oft so tief berührt, dass mir die Tränen kamen. Diese Eindrücke wollte ich unbedingt in meinen Gemälden festhalten.
Martin Bill: Für mich spielt das Thema Elemente vor allem eine Rolle, wenn ich das Material Holz bearbeite. Die Strukturen des Holzes spiegeln das Zusammenspiel der Natur wider – mal sanft, mal rau. Es ist spannend, wie unterschiedliche Holzarten wie Oliven-, Nuss- oder Kirschholz ganz eigene Charaktere entwickeln und im Zusammenspiel eine besondere Wirkung erzeugen. Für diese Ausstellung habe ich bewusst viele verschiedene Holzarten genutzt, um das Spiel der Elemente in meinen Skulpturen zu betonen.
Feuer, Wasser, Erde und Luft – für Sie beide sind dies mehr als nur physische Phänomene. Sie stehen symbolisch für die Energie und Harmonie, die in Ihren Werken zum Ausdruck kommt. Wie haben Sie sich beide künstlerisch ergänzt? Annamarie Wyss: Ich finde, unsere Werke ergänzen sich auf eine wunderbare Weise. Die tiefgründigen Farben meiner Gemälde stehen im Kontrast zu den klaren Formen von Martins Skulpturen. Das Zusammenspiel zwischen dem Fliessenden und dem Statischen der Natur ist in der Ausstellung deutlich spürbar.
Martin Bill: Genau, und für mich war es auch spannend, die Harmonie zwischen unseren beiden Ansätzen zu finden. Annamaries Farbverläufe erinnern mich oft an Wasser oder Luft, während ich in meinen Skulpturen eher die Erde oder das Feuer verkörpere. Diese Elemente miteinander zu verbinden war für uns beide eine Bereicherung.
Erzählen Sie etwas zum Entstehungsprozess Ihrer Kunstwerke. Martin Bill: Der schnelle Kettensägeschnitt interessiert mich nicht. Ich bevorzuge den langsamen Weg mit Kettensäge, Meissel, Raspel und, wenn nötig, wieder die Kettensäge. In unserer schnelllebigen Zeit mit Gewalt und Disharmonie habe ich Sehnsucht nach Veränderungen, nach fliessenden, harmonischen Formen und Linien.»
Annamarie Wyss: Mit Marmormehl und Sumpfkalk baue ich den Bilduntergrund auf. Nach der Trocknungszeit von ein bis drei Tagen werden die entstandenen Risse und Schollen malerisch gesichert. Anschliessend widme ich mich den Farben. Natürliche Farbpigmente, angerieben und gebunden mit Kasein, aufgetragen in unzähligen feinen Schichten, ermöglichen eine einzigartige Farbatmosphäre. Fixiert und veredelt werden die Werke schlussendlich durch eine dünne Wachsschicht.
Was macht Sie glücklich? Annamarie Wyss: Glücklich bin ich, wenn meine Bilder stimmig werden, andere Menschen und mich erfreuen.
Martin Bill: Das Wichtigste bei meinen Arbeiten ist der Augenblick. Koordinate 0, gerade jetzt, nicht gestern, nicht morgen – der Augenblick. Ich zitiere dazu Heinrich von Kleist: «Nur wer für den Augenblick lebt, lebt für die Zukunft.»
Noch bis zum 3. November kann man in eine Welt eintauchen, in der Holz und Farbe die Natur in all ihrer Pracht spiegeln und sich von der Kraft der Elemente berühren lassen. Die Öffnungszeiten sind freitags und samstags von 17.00 bis 19.00 Uhr sowie sonntags von 13.00 bis 18.00 Uhr.
www.burgergemeindebrienz.ch23. Oktober 2024