Bild: zvg

Interview mit Sophie Barth-Gros

Die Preisträgerin des Literaturpreises 2024 der Société littéraire de Genève entführt ihre Leserinnen und Leser in ihrem Roman «Beatenberg» in ein alpines Künstlertreffen der 1920er-Jahre. Im Gespräch verrät sie mehr über ihre Inspirationen, ihre Verbindung zum Berner Oberland und den kreativen Prozess hinter ihrem preisgekrönten Werk.

Anzeiger Interlaken: Was bedeutet die Auszeichnung der traditionsreichen Genfer Literaturgesellschaft – gegründet 1816 – für Sie? Sophie Barth-Gros: Es bedeutet mir sehr viel, dass mein Roman mit dem Preis der Société littéraire de Genève ausgezeichnet wurde, insbesondere weil das Preisgericht aus renommierten Persönlichkeiten der literarischen Welt besteht. Der Vorsitzende der Jury, Professor Jacques Berchtold, der an der Sorbonne Literatur lehrt und ­Direktor der Fondation Bodmer ist, trägt ebenfalls zu dieser Gewichtung bei.

Im Buch treffen grosse Namen wie der Dichter Rilke und der Maler Balthus aufeinander. Wie haben Sie sich diesen historischen Persönlichkeiten angenähert? Die Auseinandersetzung begann für mich ganz persönlich: Mein Onkel und meine Tante wohnten fast im gleichen ­Gebäude in Fribourg, in dem auch Balthus mit seiner Familie lebte. Ich fand heraus, dass er von seinem 9. bis 26. Lebensjahr jeden Sommer und auch einige Winter in Beatenberg verbracht hatte. Die Recherchen führten mich zu Margrit Bay, die Balthus in ihre Künstlerkolonie in Bea­tenberg aufnahm. Ich war mehrfach dort, um das Dorf, seine Landschaften, die alten Chalets und Hotels kennenzulernen und um die Grossnichte von Margrit Bay zu treffen. Als ich erfuhr, dass die Muttter von Balthus die letzte Lebensgefährtin von Rilke war, las ich deren Korrespondenz sowie eine Biografie des Dichters. Ich versuchte mir vorzustellen, was während der fast drei Wochen, in denen Rilke 1922 mit Ba­ladine, der Mutter von Balthus, in Beatenberg ­verweilte, geschehen sein könnte.

Erzählen Sie weiter … Ich denke, dass Balthus sicher von der grandiosen Natur, der Gesellschaft, die zu Beginn der 1920er Jahre dort verkehrte, und auch von dem spirituellen Umfeld der Künstlerkolonie sehr bereichert worden sein muss. Die Familie von Margrit Bay, insbesondere ihr Bruder, stand in enger Verbindung mit Rudolf Steiner, dem Gründer der Anthroposophie. Da­rüber hinaus spielte die Liebe, die Balthus von ­seiner Mutter und ihren Mitstreitern entgegengebracht wurde, sicherlich eine zentrale Rolle in seiner Entwicklung.

Welche Herausforderungen haben Sie bei «Beatenberg» besonders beschäftigt? Und was bedeutet der Ort für Sie persönlich? Die grösste Herausforderung, sich mit Beatenberg in den 1920er Jahren zu beschäftigen, bestand darin, sich vorzustellen, wie das Dorf damals aussah, als es etwa zwanzig Hotels gab, darunter prestigeträchtige Häuser wie das Regina Palace Hotel. Für mich ist es ein Ort, der zugleich vertraut und neu ist. Ich bin in den Voralpen Freiburgs aufgewachsen, hatte Grosseltern, die Bauern waren, und habe viel Zeit in Alphütten verbracht. Was mich an Beatenberg nachhaltig beeindruckt, sind die spektakulären Ausblicke auf den Thunersee und die Berge.

Sie unterrichten Kunstgeschichte und haben einen vielfältigen akademischen Hintergrund. Wie fliessen diese Erfahrungen in Ihre schriftstellerische Arbeit ein? Mein akademischer Hintergrund hat mir die Freude daran vermittelt, mich mit einer grossen Bandbreite von Themen auseinanderzusetzen, und mich gelehrt, dies leidenschaftlich und mit grosser Genauigkeit zu tun. Das Unterrichten der Kunstgeschichte bietet mir zudem die Gelegenheit, täglich in Kontakt mit den Forschungsstätten der Kunstgeschichte zu stehen, etwa spezialisierte Bibliotheken und Museen. Darüber hinaus schätze ich die ­Arbeit mit Jugendlichen. Diese Mischung ist für mich als Autorin von unschätzbarem Wert.

Ihr Roman spielt in einer Zeit des Umbruchs nach dem Ersten Weltkrieg. Gibt es Parallelen zu heute? Zwischen der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und unserer heutigen Epoche sehe ich ­einige Parallelen mit tiefgreifenden Veränderungen und einem Gefühl des Umbruchs. Die Menschen fühlten sich damals von der technischen Entwicklung überwältigt und suchten Zuflucht in der Spiritualität. Gleichzeitig begann die Befreiung des Körpers, die Geburt des Naturismus, das Bewusstsein für die Vorteile körperlicher Bewegung und das Experimentieren mit Drogen. Unsere heutige Zeit durchläuft eine ähnliche Dynamik, diesmal bedingt durch tiefgreifende Veränderungen mit Internet und künstlicher Intelligenz.

www.lhebe.ch/produit/beatenberg
04. Dezember 2024

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