Nur wenige Wochen vor dem Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest hat Kilian von Weissenfluh seinen sofortigen Rücktritt bekanntgegeben. Im Interview erklärt der Hasliberger, wie es dazu kam.
Anzeiger Interlaken: Am 8. Juli gaben Sie ihren Rücktritt bekannt. Wie fühlen Sie sich? Kilian von Weissenfluh: Eigentlich gut. Ich merke, dass es der richtige Schritt war. Ich habe keinen Druck mehr. Vor jedem Schwingfest gab es diese Ungewissheit, ob der Körper mitmacht. Diese Last fällt jetzt weg.
Wie kam es zu diesem Schritt? War es ein längerer Prozess, oder entschieden Sie doch spontan? Der Gedanke kam nicht erst vor zwei Wochen. Ich habe schon länger Rückenprobleme. Besonders an Schwingfesten, die schlecht liefen, kamen mir Gedanken: Wie lange will ich das eigentlich noch? Das Fass zum Überlaufen brachte das Oberländische Schwingfest in Adelboden. Nach dem ersten Gang, einem Gestellten gegen Adrian Walther, musste ich aufgeben. Ich konnte einfach nicht Gas geben. An Ort und Stelle zurückzutreten, aus einer Emotion heraus, wollte ich aber doch nicht. Darum liess ich den Entscheid noch eine Woche reifen.
Was genau macht Ihnen denn im Rücken zu schaffen? Letztes Jahr hatte ich einen Bandscheibenvorfall am untersten Lendenwirbel. Diesen Frühling spürte ich beim Skifahren nochmals einen Zwick. Seither war es ein Auf und Ab, mal lief es besser, mal schlechter. Aber die Freude am Sport kam etwas abhanden.
Hatten Sie nicht den Gedanken, es im Hinblick auf das «Eidgenössische» nochmals zu versuchen? Natürlich war das «Eidgenössische» mein grosses Saisonziel, zusammen mit dem Brünig-Schwinget. Jetzt schwinge ich an beiden Festen nicht, was schade ist. Für den Spitzensport bezahlt man einen hohen Preis, auch körperlich. Aber es muss in einem Verhältnis sein. Ich merkte, dass ich nicht mehr bereit war, diesen Preis zu bezahlen.
Werden Sie dem Sport erhalten bleiben? Auf jeden Fall. Schwingen ist ein wichtiger Teil meines Lebens. Als Fan werde ich an den Schwingfesten dabei sein. Als technischer Leiter der Schwingersektion Hasliberg versuche ich, den Jungen, die frisch zu den Aktiven kommen, meine Erfahrungen weiterzugeben. Ab und zu werde ich auch Trainings leiten.
Sie waren der letzte aktive von Weissenfluh, eine Schwinger-Dynastie. War Ihr Rücktritt diesbezüglich in der Familie ein Thema? Ich sagte immer zum Spass: «Mit dem Besten hört es auf!» Aber ernsthaft: Ich habe das Gefühl, dass unsere Schwingergeschichte vor allem in den Medien thematisiert worden ist. Natürlich wird in unserer Familie oft über das Schwingen geredet. Daran ändert sich nichts.
Ein Rückblick: Was waren Ihre persönlichen Karriere-Highlights? Sicher mal der eidgenössische Kranz 2019 in Zug. In jener Saison holte ich insgesamt zehn Kränze, mehr als alle anderen Schwinger. Diese Konstanz war sicher nur möglich, weil ich lange Zeit immer gesund war. Meine stärkste Zeit als Schwinger hatte ich 2021 und 2022. In diesen Jahren gewann ich drei Kranzfeste. 2022, kurz vor dem Eidgenössischen Fest in Pratteln, holte ich mir auf der Engstlenalp eine Innenbandzerrung zu. Seither hatte ich immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen – das sieht man auch meiner Kranzstatistik an.
In Ihrer Heimat scheint man sich kaum Sorgen um den Schwingernachwuchs machen zu müssen: Mit den Brüdern Thöni und Leandro Nägeli kommen drei der aktuell stärksten Oberländer Schwinger aus dem Oberhasli. Auch andere Schwinger aus meiner Trainingsgruppe zeigen starke Resultate. Als Hasliberger liegt mir am Herzen, dass wir einen guten, gesunden Nachwuchs haben. Am wichtigsten ist die Arbeit an der Basis: Eine Breite an Jungschwingern herzustellen, ist nicht einfach. Aber ich schaue der Zukunft positiv entgegen.
Eine Schwingerfamilie durch und durch
Hasliberg – Vor seinem Rücktritt war Kilian von Weissenfluh der einzige aktive eidgenössische Kranzschwinger im östlichen Berner Oberland. 50 Kränze holte der 28-Jährige in seiner Karriere. 2021 gewann er das Emmentalische, 2022 das Oberaargauische und das Seeländische Schwingfest. Der 186 Zentimeter grosse Turnerschwinger fiel im Sägemehl durch sein breites Repertoire an Schwüngen, aber auch durch eine bärenstarke Verteidigung auf. Als Beispiel ein Blick in die Statistik aus dem Jahr 2022: In neun Kranzfesten, in denen er gesamthaft 54 Gänge bestritt, verlor Kilian von Weissenfluh nur gerade zwei Kämpfe – darunter einmal auf dem Brünig gegen seinen Schwager Samuel Giger.
Der gelernte Zimmermann stammt aus einer Schwingerfamilie: Grossvater Peter von Weissenfluh (82) war dreifacher «Eidgenosse». Onkel Christian von Weissenfluh (59) holte in seiner Karriere 85 Kränze, darunter zwei eidgenössische; er gewann den Brünig-Schwinget 1993 und stand im gleichen Jahr im Schlussgang auf der Unspunnenwiese. Auch Kilians Vater Peter (60) hat einen Brünigkranz in seiner Trophäensammlung, und sein älterer Bruder Kevin (36) kranzte am Oberländischen Schwingfest 2010.
24. Juli 2025